Rötel
Im Stile der alten Meister
Neben der Zeichenkohle ist Rötel das älteste Zeichenwerkzeug überhaupt, ein Klassiker der Kunstgeschichte und dabei überaus zeitgemäß. Ebenso wichtig wie das richtige Material – im Grunde nur Papier, Rötelstift und Knetgummi – ist der richtige Umgang damit. Strichführung und Verwischen oder beides in einer Zeichnung: Wie Sie die Techniken richtig einsetzen, möchte ich Ihnen in dieser kleinen Einführung in die Technik vermitteln.
Rötel auf Ingrespapier
Rost und Rötel
Die rostfarbenen Pigmente des Rötels sind genau das: Rost, also Eisenoxid in Form von Hämatit und damit die mineralische Verbindung von Eisen und dem Sauerstoff der Luft. Das rötlich eingefärbte, weiche Gestein nannten Bergleute auch Blutstein. Dank seines natürlichen Vorkommens und seines kräftigen Abriebs ist Rötel neben der Kohle das älteste Zeichenwerkzeug der Welt. Schon die altsteinzeitlichen Künstler schufen damit vor 30.000 Jahren ihre fantastischen Höhlenzeichnungen in Altamira und Lasceaux. Die Umrisse zeichneten sie direkt mit dem Rötelstein; für die Flächen wurde der Stein fein zermahlen, mit Wasser angerührt und feucht auf die Wände aufgetragen, bisweilen auch – vermutlich mit dem Mund – aufgesprüht.
Frauenbildnis nach Feuerbach
Rötelzeichnung mit weißer Kreide gehöht auf präpariertem Karton.
Rötel in der Kunst
Als Zeichenstift wurde Rötel erst in der Renaissance von Künstlern wie Leonardo da Vinci und Michelangelo für Skizzen, Studien und Vorzeichnungen für Gemälde und Fresken
eingesetzt. Viele Künstler des 17. und 18. Jahrhunderts zeigten eine besondere Vorliebe für die Rötelkreide, die für Aktzeichnungen und Porträts verwendet wurden. Bekannt sind die Zeichnungen von Jean-Jacques de Boissieu oder von Jean-Baptiste Greuze, die eine bis heute kaum erreichte Plastizität aufweisen.
Doch zu neuem Ansehen und zur Perfektion brachten den Rötel erst die englischen Präraffaeliten, also Vor-Raffaeliten. So nannten sich diese Künstler des 19. Jahrhunderts, die sich am Malstil vor („prä“) dem berühmten Maler Raffael (1483–1520) orientierten und dessen „akademische“ Malweise ablehnten. Die Künstler variierten den Farbton des Rötel durch anfeuchten und kontrastierten die weiche, oftmals zarte Strichführung mit kräftigen dunklen, frei geführten Linien.
Auch heute wird der Rötel von vielen Künstlern genutzt und von den Sammlern geschätzt.
Frauenstudie
Rötelpulver auf getöntem Papier
Wer schon einmal mit Rötel gearbeitet hat, wird die Faszination dieses Zeichenmediums verstehen. Ohne großen Aufwand kann man recht schnell zu einem farbigen Ergebnis kommen. Wichtig sind neben dem Material, dass eigentlich nur aus Papier, den Rötelstift und einem Kentgummi besteht, auch noch die Technik. Genaugenommen der Strich, also wie der Rötel aufs Papier kommt, strichelt man oder verwischt man oder benutzt man beides.
Mit dem holzgefassten Rötelstift kann man Stricheln und Schraffieren, dadurch entstehen ganz schnell Kontraste von Hell nach Dunkel und Schatteneffekte.
Mit den Fingern wird der Rötel verwischt. Feiner und gleichmäßiger funktioniert das Verblenden in der Fläche mit dem Pastellpinsel und Rötelpulver.
Mit dem Kentgummi wird der Rötel abschwächt und Hell-Dunkel Effekte erzeugt.
Für besondere Lichteffekte, man nennt das auch Höhung, verwendet man Weißkreide, die das Motiv plastisch werden lässt.
Traditionell wird auf einem getönten (eingefärbten) Papier gearbeitet. Die Papierfarbe sollte mit dem Motiv harmonieren und weder zu dunkel noch zu hell sein. Graue und cremfarbene Tönungen sind zusammen mit dem Rötel angenehm und unterstützen die Leuchtkraft des Motivs. Ein weißes Papier eignet sich für den Rötel nicht so gut, da es das Rot verstärkt und die hell dunkel Kontraste zurücknimmt.
Welches Material braucht man?
Rötelstifte von Conte
Holzgefasste Rötelstifte, Rötelkreidestäbchen, Weißkreide holzgefasst und als Kreidestäbchen
Für eine Rötelzeichnung braucht man nicht viel. Es reicht ein Rötelkreidestäbchen für flächige Aufträge, sowie ein Rötelstift und ein Knetgummi.
Damit die Miene länger hält und die Striche gleichmäßiger werden, sollte man den holzgefassten Stift mit einem Messer anspitzen und die Miene in der Länge 1 bis 1.5 cm freilegen. Das Messer mussscharf sein, damit man die Miene nicht abbricht. Am besten eignet sich ein Cutmesser.
Es kommt vor, dass die Meine rund läuft und stumpf wird. Dann sollte man die Miene vorsichtig über ein feines Schleifpapier/Sandpapier ziehen und den vorderen Teil anspitzen. So kann man schnell arbeiten und hat immer eine spitze Miene.
Rötelstifte gibt es von verschiedenen Herstellern, u. a. von KOH-I-NOOR, die fettfreien in Holz gefasste Künstlerstifte haben einen geschmeidigen Abstrich und eigenen sich für Linien und Details.
Empfehlenswert sind auch die Rötelstifte von Conté à Paris, die in drei Rotabstufungen erhältlich sind und einen kreidigen ursprünglichen Abstrich ermöglichen.
Faber Castell, Lyra und Creatacolor bieten ebenfalls holzgefasste Rötelstifte an, die für feine Striche und Details gute Dienste leisten.
Für großflächiges Zeichnen und feine Lasuren, sowie das Herausarbeiten von Licht und Schatten eigenen sich die Kreidestäbchen von Conté à Paris oder Rötelpulver von Cretacolor.
Zum Aufhellen oder zum Setzen von Lichteffekten eignet sich Weißkreide, die man in Stiftform oder als Kreidestäbchen kaufen kann.
Prinzipiell kann man mit Rötel auf jedem Papier arbeiten, die schönsten Ergebnisse bekommt man aber auf farbigem Ingres-Papier (Hahnemühle) oder auf Pastellpapier ( z. B. Mi-Teintes von Canson).
Achtung: Neben den kreidigen Rötelstiften gibt es auch fetthaltige, die sich weniger verwischen lassen und nicht mit Kreide gemischt werden können. Auch ein Vermalen mit Wasser ist nicht möglich.
Auch rote Pastellstifte oder Buntstifte mit der Bezeichnung Rötel sind nicht mit den original Rötelkreiden oder Stiften vergleichbar.
Dieses Frauenporträt ist einer Zeichnung von Augustus Edwin John (IDA) nachempfunden. Gerade Frauenporträts wurden und werden von vielen Künstlern immer wieder mit Rötel gezeichnet.
Rötel und Pastellpinsel
Mit verwischbaren Kreiden und dem Pastellpinsel wird das Modellieren zum Vergnügen; selbst bei einer anspruchsvollen Pose wie hier. Franz-Josef Bettag arbeitet mit Rötel und zeigt auch im Video, wie einfach das geht. Für seine Aktzeichnungen ist Rötel durch die effektvollen Farbverläufe interessant, die sich mit dem Pastellpinsel wunderbar einfach erzielen lassen. Obwohl monochrom, erhält der rötliche Farbton auf einem getönten hellen Papier eine farbige Anmutung.
>> Video - Rötel und Pastellpinsel
>> Video - Porträtskizze mit Rötel und dem DuoPastello-Pinsel
Rötelstaub und Pastellpinsel
Das Porträt einer jungen Frau wurde mit Rötelpulver gemalt. Nach dem flächigen Auftrag des Pulvers entstanden die Lichteffekte durch das Entfernen mit einem Knetgummi. So entstand ein fast fotografischer Bildeindruck.
Rötelstaub für Lichtstimmungen
Für meine Aktskizzen mit Rötel benutze ich feinen Rötelstaub. Ich verwische den Staub mit dem Pastellpinsel und erzeuge damit transparente tonige Flächen, aber auch satte dichte Tönungen. Eine wichtige Rolle bei dieser
Technik spielt der Farbton des Papiers. Das weiche Rot darf zum einen nicht zu kräftig erscheinen und zum anderen nicht zu weich und transparent. Deshalb verwende ich auch hier Papiere mit gelblichen Tönungen, die zwischen einem hellen Ocker bis hin zu einem weichen zurückgenommenen Grauton. Mit der gezeigten Technik und einem getönten Papier kann man auch ohne Farbe schnell und einfach beeindruckende Zeichnungen herstellen.
Zeichnen mit Rötel
Der Zeichenkurs zum Selbststudium mit Buch und DVD mit e Book
Tauchen Sie ein in die Welt der Rötelzeichnung und lernen Sie zeichnen wie die alten Meister. Neben der Zeichenkohle ist Rötel das älteste Zeichenwerkzeug überhaupt, ein Klassiker der Kunstgeschichte und dabei überaus zeitgemäß. Das Zeichnen mit Rötel ist nicht an eine bestimmte Technik gebunden. Franz-Josef Bettag demonstriert dem Leser in der Hauptsache seine Technik, die in der Tradition der englischen Präraffaeliten steht. Für seinen Kurs hatt er sie deutlich vereinfacht. So kann man auch ohne Vorkenntnisse seine ersten Zeichenversuche wagen. Der Leser lernt dabei drei verschiedene Anwendungen kennen, mit denen einzeln oder zusammen wunderbare Rötelzeichnungen entstehen. Am Anfang allerdings stehen die Grundlagen. Ebenso wichtig wie das richtige Material – im Grunde nur Papier, Rötelstift und Knetgummi – ist der richtige Umgang damit. Strichführung und Verwischen oder beides in einer Zeichnung: Wie Sie die Techniken richtig einsetzen, vermittelt der Autor mit diesem Lernkurs zum Selbststudium.
Das Buch mit 80 farbigen Seiten im Format 21 x 30 cm (Softcover) kann eigenständig verwendet werden, dient aber auch als Ergänzung zum Lernprogramm mit e-Book und den Videos auf der DVD.
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